Interview mit Ralf T., 65, Rentner in Pattaya:
Ein Gespräch mit einem, der in Deutschland durchs Raster fiel und in Pattaya seine letzte Festung gefunden hat.
WochenBlitz:
Ralf, du bist 65 und lebst seit gut einem Jahr in Pattaya. Was hat dich nach Thailand gebracht?
Ralf T.:
Ich war am Ende. Punkt. Drei Jahrzehnte gesoffen, dann war alles weg – Frau, Arbeit, Ansehen, Würde. In Deutschland ist keiner für dich da, wenn du unten bist. Und komm mir keiner mit Therapien und „du musst nur wollen“. Ich hab gewollt, jahrelang. Aber irgendwann bist du einfach durch. Und wenn du dann auch noch ’ne kleine Rente hast, wirst du zum Gespenst. Du bist da, aber keiner sieht dich mehr. Ich hab irgendwann gesagt: Ihr könnt mich mal.
WochenBlitz:
Also war Thailand die Flucht?
Ralf T.:
Flucht? Nee. Das war ein Befreiungsschlag. Ich hab keinen Bock mehr gehabt, mich in so ’nem miefigen 2-Zimmer-Loch zu Tode zu schämen, während draußen alle so tun, als wär alles super. Ich hab mir das Visum geholt, den Rückflug (weil man ihn halt braucht), und bin raus. Nicht, weil ich träume. Sondern weil ich noch was vom Leben übrig haben wollte – wenigstens die Kontrolle über meine letzten Jahre.
WochenBlitz:
Warum ausgerechnet Pattaya – die Partyhölle schlechthin?
Ralf T.:
Weil ich’s wissen wollte. Ob ich’s schaffe, in der Saufhölle nüchtern zu bleiben. Weil wenn ich hier nicht rückfällig werde, dann nirgends. Drei Jahre bin ich jetzt trocken. Und ich trinke nicht mal ein Bier bei 35 Grad. Ich sitz in der Bar, bestell Sodawasser mit Zitrone und beobachte. Früher hätte ich da 15-20 große gekippt und wäre am nächsten Morgen auf der Straße aufgewacht. Heute bin ich klar. Ich seh die Typen mit den glasigen Augen und denk: „Da warst du mal. Mach nicht denselben Fehler nochmal.“
WochenBlitz:
Und wie kommst du im Alltag klar?
Ralf T.:
Allein. Und das ist auch gut so. Ich brauch keine Thai-Freundin, die mir lächelnd das Portemonnaie leert. Ich wohne in ’nem einfachen Condo, koche selbst, hab meine Ruhe. Die Rente reicht hier gerade so. Aber weißt du was? Lieber sparsam leben mit Würde, als in Deutschland den Bückling machen, nur um auf’m Amt noch ’ne Heizkostenpauschale zu erbetteln. Da kotz ich.
WochenBlitz:
Du klingst verbittert.
Ralf T.:
Nee, ich bin nur nicht mehr bereit, schönzureden, was kaputt ist. Deutschland ist ein kalter Ort geworden – besonders für alte Männer ohne Glanz. Du zählst nur, wenn du funktionierst. Ich hab zu lange geschwiegen. Ich sag’s jetzt, wie’s ist. Thailand ist kein Paradies, aber hier fragt keiner, wer du warst. Du bist einfach nur da. Das reicht mir.
WochenBlitz:
Wie siehst du die anderen Farangs hier?
Ralf T.:
Ehrlich? Die meisten sind wie ich – durch. Nur dass sie’s nicht zugeben. Die erzählen dir was von neuer Liebe, thailändischer Kultur, spirituellem Neuanfang – und sitzen abends doch mit leerem Blick vorm dritten Chang. Viele machen hier denselben Mist wie früher – nur mit Sonne. Die glauben, Thailand heilt alles. Tut’s nicht. Wenn du kaputt bist, bist du’s auch hier. Ich hab das wenigstens kapiert.
WochenBlitz:
Wie gehst du mit Behörden und Bürokratie um?
Ralf T.:
Mit Zähneknirschen. Aber ich raste nicht mehr aus. In Deutschland hab ich mich mit Sachbearbeitern angelegt, weil ich wie ein Stück Dreck behandelt wurde. Hier ist’s zwar langsam, aber wenigstens ohne herablassenden Ton. Man bringt halt zehn Kopien statt zwei – na und? Wenn du dich benehmst, kriegst du hier mehr Respekt als bei jedem deutschen Amt.
WochenBlitz:
Vermisst du etwas?
Ralf T.:
Nein. Ich hab meine Schnauze, meine Ruhe und mein Bett. Was soll ich denn vermissen – deutsche Talkshows? Das Wetter? Oder die Leute, die mir jahrelang den Rücken gekehrt haben? Ich hab nix mehr zu verlieren. Und das ist das Befreiendste überhaupt.
WochenBlitz:
Was würdest du anderen sagen, die überlegen, nach Thailand zu kommen?
Ralf T.:
Kommt nur, wenn ihr euren Dreck vorher sortiert habt. Wer denkt, Thailand macht euch zu besseren Menschen, kriegt ganz schnell die Quittung. Hier wirst du nicht aufgefangen. Du wirst ignoriert. Und das ist gut. Aber nur, wenn du damit umgehen kannst. Wer nicht mit sich selbst klarkommt, geht hier genauso unter – nur stiller und einsamer.
WochenBlitz:
Und dein Fazit nach einem Jahr?
Ralf T.:
Ich hab nicht viel. Aber ich hab meine Ruhe. Und ich muss keinem mehr was vorspielen. Ich bin 65, trocken, allein – aber nicht mehr am Boden. Ich leb, wie ich will. Ohne Lügen. Ohne Maske. Deutschland hat mich ausgespuckt. Thailand lässt mich in Ruhe. Das ist der Deal. Und den nehm ich an.
WochenBlitz:
Danke für deine offenen Worte.
Ralf T.:
War mir ein Bedürfnis. Irgendjemand muss’s ja mal sagen.
Anmerkung der Redaktion: Das Interview ist eine Aufzeichnung aus dem Mai 2025.